The Higgins / Neat Mentals /Uberalles Emma 23, 25. November 2017
Mehlspeisen, Stage-Diving und Hits am Fließband gibt es zum 20-jährigen Bühnenjubiläum von The Higgins. Außerdem geht mit Uberalles ein neuer Stern am Heilbronner Punk-Himmel auf.
Wenn man selbst der Konzertveranstalter ist, braucht man gar nicht so zu tun, als könne man die Veranstaltung objektiv beurteilen. Mache ich deshalb auch nicht: Ich kann mich selbst nicht genug dafür loben, dass ich beim Lullies-Konzert im Red Revier im April beschlossen habe, eine kleine, unbekannte Heilbronner Band aus dem Dahinsiechen in ihren beiden (!) Proberäumen zu befreien. Bands gehören auf Bühnen und nicht in Proberäume. Zwischendurch kamen mir dann zwar Bedenken, was ich mir da wieder in einer Bierlaune angelacht habe: Der seltsame Bandname Uberalles, zudem hatte ich keine Ahnung, was für Musik die machen. Dann das: Ein richtig geiler Auftritt. Sänger Johannes erinnert mich mit seiner Art zu singen stark an den von mir sehr geschätzten Jens Rachhut. Die Musik ist dagegen nicht so einfach einzuordnen: Da sind Punkelemente, aber auch ruhigere Passagen, rhythmisch sehr abwechslungsreich. Ich tue mich unheimlich schwer hier Bands zu nennen, die man vergleichen könnte. Am besten selbst das Video vom Auftritt ansehen.
Fast unvermeidlich ist Frank von Sonic Träsh und Neat Mentals mittlerweile auch in dieser Band an der zweiten Gitarre dabei. Wird es in Heilbronn jemals wieder eine Gruppe im Punkumfeld geben, in der dieser Hans Dampf nicht spielt? Wenn man ihn zwei Wochen nicht sieht, hat er das nächste Projekt am Start. Stand Samstagabend sind es fünf Bands.
Zurück zu Uberalles: Dem Publikum gefällt der Auftritt auch gut. Es wird zwar nicht überschwänglich vor der Bühne rumgezappelt sondern mitgewippt, aber es gibt nach jedem Lied gehörig Applaus und vor der Emma halten sich auch nicht übermäßig viele Leute auf, die Rauchen der Vorband vorziehen. Zugabe geben die Jungs auch.
Bei jedem Auftritt gefallen mir die Neat Mentals besser. Vor zwei Jahren waren sich schon mal Vorband bei Higgins, als die Emma noch Complex hieß. Ihr schmissiger, eingängiger angerockter 77er Punk geht halt auch einfach ins Ohr. Sie schaffen es tatsächlich auch, dass das Pubklikum einige Schritte nach vorne macht und so den unvermeidlichen Graben vor der Bühne zu schließen. Leider verpasse ich nach dem Konzert die Chance, ihnen eine Platte abzukaufen.
Manche Dinge ändern sich nicht. Dazu gehört, dass die Mannen von Higgins grundsätzlich nicht zum vereinbarten Zeitpunk am Konzertort sind. Allerdings kommen sie mittlerweile nur noch etwa 30 Minuten später als ausgemacht und nicht mehr mehrere Stunden, wie bei unserem ersten gemeinsamen Konzert im April 2011.
Nicht geändert hat sich seitdem auch, dass Sänger Tobi sich als Bandessen 200 Gramm Rinderfilet für jeden wünscht. Nachdem ich mir mit dem Konzert ungefragt herausnehme, das 20-jährige Bühnenjubiläum mit der Band zu feiern, erfüllen wir diesen Wunsch an diesem Abend. Und das, obwohl wir praktisch ein vegetarischer Haushalt sind. Das Essen sorgt bei der Band schon mal für positive Stimmung. Die überträgt sich beim Auftritt dann auch gleich aufs Publikum. Es wird eifrig getanzt. Es spricht für sich, dass Wirt Ozze dabei auch mitmacht. Hilft mir dann vielleicht beim Vereinbaren des Konzerttermins 2018.
Es gibt viele glückliche Gesichter an dem Abend. Ex-Turbojugend Heilbronn-Präsi Dudi kommt als Gastsänger bei einem Song auf die Bühne. Der Higgins-Merchandiser darf, nachdem er offenbar schon seit Jahren danach fragt, ein Lied singen. Die Schlagzeugerin von Sänger Tobis Zweitband Adios Muchachos setzt sich bei einem Stück hinter die Drums.
Und für mich zahlt sich das Herumgeschleime mit dem Rinderfilet aus. Ich darf nämlich etwas machen, das ich seit dem 14. Juli 1990 nicht mehr gemacht habe. Damals spielten Bad Religion und unter anderem Spermbirds in der Bruchbühlhalle in Karlsdorf-Neuthard. Ich startete dort meinen bis dato ersten und einzigen Versuch zu stagediven. Der endete unsanft auf dem Hallenboden, da mich damals niemand auffing. 27 Jahre später passiert das nicht, denn Tobi zwangsverpflichtet das anwesende Publikum mich aufzufangen und ausgiebig durch die Luft zu tragen – Klasse.
Nicht so Klasse ist ein Nebeneffekt. Normalerweise bin ich bei ScharpingPershing nicht auf Fotos zu sehen, da ich sie mache. Jetzt bin ich auf ganz vielen Fotos. Dabei fallen mir zwei Dinge auf: 1. Ich trage eine unvorteilhaft sitzende Jeans. 2. Ich habe unglaublich oft einen dermaßen dämlichen Gesichtsausdruck, dass mir vor mir selbst graut. Das ist besonders gut auf den Kuchenbildern zu sehen.
Denn wir haben es uns nicht nehmen lassen, den Bandgeburtstag mit einen aufwändig gestalteten Zitronenkuchen abzurunden. Der zweite Kuchen zelebriert die an diesem Abend stattfindende Release-Party der neuen Higgins-EP „Leave me alone„. Unbedingt holen, wenn ihr sie noch nicht habt und zum nächsten Uberalles-Gig gehen. Die sind nämlich gut.