Svetlanas / Christmas, Goldmark’s 1. April 2018
Geballte Bühnenpower im Stuttgarter Goldmark’s: Zum Auftakt heizen Christmas aus dem Saarland ein. Der Auftritt der russischen Svetlanas mit einem Energiebündel als Sängerin ist dann schon fast bedrohlich.
Christmas stehen schon auf der Bühne, als ich eintrudle. Mir scheint, Konzerte fangen heutzutage immer früher an. Im Goldmarks ist nicht viel los. Vor der Bühne ein großes Loch, weiter hinten spärliche Besetzung. Das stört Sänger Max nicht. Mit nacktem Oberkörper spring er über die Bühne und immer wieder ins Publikum.
Diversen Konzertbesuchern singt er direkt ins Gesicht und hält ihnen das Mikrofon zum Mitsingen vor den Mund. Unter anderem auch mir – keine Ahnung, ob ich den Refraintext richtig rausgehört und intoniert habe. Denn ich muss gestehen, ich kenne die Lieder der Saarländer nicht wirklich.
Dabei hat Frontmann Max 2011 bei der Feier zum zehnjährigen Jubiläum der Turbojugend Heilbronn bei mir übernachtet. Mit ein Grund, warum ich mich an diesen Abend nach Stuttgart aufmache. Mit dem Turbojugend-Hintergrund klang das damals nicht überraschend stark nach Turbonegro. Die hört man zwar immer noch in einigen Mitsingrefrains raus, zumindest live ist die Musik dann einiges rauer und tendiert mehr Richtung Hardcore. Inzwischen ist Max auch die Stimme der US-Hardcore-Band Reagan Youth.
Ein klein wenig wird vor der Bühne getanzt und einen unentwegten Stagediver mache ich aus. An der Band liegt der mangelnde Zuspruch nicht, die machen ihre Sache gut und haben Lust. Und das obwohl der Bassist an dem Abend seine erste Show mit der Gruppe spielt. Der eigentliche Basser ist krank und nach zwei Auftritten ohne hat man nun eine Ersatz gefunden. Mir wäre das gar nicht aufgefallen, hätte Max das nicht während des Auftritts gesagt. Die aktuelle Schallplatte muss ich noch anhören, live sind Christmas auf jeden Fall ein Erlebnis.
Der Auftritt der Svetlanas lässt sich mit zwei Worten beschreiben: geballte Aggressivität. Sängerin Olga posiert auf der Bühne, als wäre sie ein Zweimeterbrecher. Provokativ reckt sie immer wieder das Kinn in die Luft, springt auf und ab und mosht, was die Nackenmuskeln hergeben. Im kleinen Körper sind dabei alle Sehnen gespannt, überall prangen Tätowierungen. Die Lieblingsgeste ist der gestreckte Mittelfinger, den das Publikum gerne nachmacht.
Gekrönt wird das das ganze von einem Gesicht, mit weit aufgerissenen Augen und unglaublich verzogener Augenbraue. Passt zu Titeln wie „Go Fuck you self“ (sic) oder „I must break you“. Die Musik ist kompromissloser Hardcore mit Metalanleihen ohne Soli. Überhaupt verzichtet die Band auf praktisch jedes ruhigere Element. Für mich nichts, um es daheim zu hören, aber live ist das ein Erlebnis.
Vor der Bühne ist jetzt mehr los und auch Olga kommt immer zum Publikum herunter. Um was es in den Songs geht, kann ich nicht sagen, von den Ansagen verstehe ich kein einziges Wort. Was im Ohr bleibt, ist das starke gerollte R.
Zu Hause informiere ich mich ein wenig über die Band. Schon seit einigen Jahren leben die Mitglieder im Ausland, nach Russland dürfen sie nicht mehr aufgrund ihrer kritischen Texte. Dazu passt, dass auf den Verstärkern das Konterfeit Putins mit aufgemaltem Kiss-Make-Up prangt.