Zwischen Rieseneinlauf und Kotstulle

Abstimmkarte des VfB Stuttgart

VfB Stuttgart Mitgliederversammlung , Mercedes-Benz-Arena 01. Juni 2017

Fußballfan sein ist oft nicht leicht, Mitglied in einem Verein praktisch nie. Unfähige Trainer, Sportdirektoren, Aufsichtsräte und ständig werden falsche Entscheidungen getroffen. Nach der jüngstem beim VfB Stuttgart ist es Zeit, dieses Engagement zu überdenken.

Während ich mich im Stadion umblicke, steigt so ein wohliges Gefühl in mir auf. Erinnerungen an tolle Momente kommen wieder. Da drüben auf der Gegengerade, die damals, glaube ich, EnBW-Tribüne hieß saß ich, als der VfB- gegen Cottbus 2007 im letzten Saisonspiel deutscher Meister wurde. Dieser Teil des Stadions ist völlig leer und bietet damit einen ungewohnten Anblick. Etwas mehr als eine Jahr bin ich nicht mehr hier gewesen. Mit dem Abstieg in die 2. Bundesliga endete 2016 erst einmal meine Stadiongänger-Karriere. Diese Anstoßzeiten sind einfach familienunfreundlich.
Wirklich Schade, dass ich ausgerechnet, wegen des ungeliebten Projekts Ausgliederung der Profi-Mannschaft zurück komme. Mit über 14.000 weiteren Anwesenden wird an diesem Abend offenbar ein Besucherrekord bei Mitgliederversammlungen aufgestellt. Mir dämmert, dass damit die Wahrscheinlichkeit, dass mehr als 25% gegen die Ausgliederung stimmen werden, rapide sinkt.
Abgesehen von kurzen Perioden des Zweifels, bin ich von Anfang an gegen eine Ausgliederung. Die Profi-Fußball-Mannschaft ist der Grund warum ich in den Verein 2006 eingetreten bin. Mitbestimmen, was im Verein geschieht, wollte ich. Und nun, soll ich genau den Teil in eine Aktiengesellschaft ausgliedern? Dort machen zwei Vereinsvertreter mit den Investoren aus, was mit der Profimannschaft passiert. Über 84% der Abstimmenden finden diese Idee schlussendlich richtig super, weil dann erst mal 40 Millionen Euro zum Ausgeben da sind. Für Mario Gomez gab es mal 70 Millionen und ein paar Unentwegte fragen auch heute noch, was mit dem Geld passiert ist. Kann ja sein, dass es dieses Mal besser läuft. Aber dauerhaften Erfolg garantiert es nicht und rückgängig ist die Ausgliederung wohl nie mehr zu machen. Auch wenn der VfB tatsächlich ein Rückkaufsrecht hat, woher sollte das Geld dafür kommen?
Ein Mitglied fragt, was denn sei, wenn in ein paar Jahren das ganze Geld ausgegeben ist, ohne dass sich sportlicher Erfolg einstellt – hallo HSV. Antwort Präsident Wolfgang Dietrich: Nichts sei dann anders, alle sei wie vorher. Man habe keine Schulden. Ach so – ich verkaufe 15% meines Besitzes für eine Investition, die sich in Luft auflöst und mit 85% Restbesitz ist alles unverändert?
Es bleibt die Erkenntnis: Demokratie ist etwas wunderbares. Wenn aber die Mittel völlig ungleich verteilt sind, funktioniert das nicht richtig. Hier Vereinsmitglieder, die ihre Freizeit Opfern, um Informationen zusammen zu tragen. Ein paar bei den Ultras organisiert, andere Mitglieder diskutieren im Freundeskreis oder im Netz. So etwas wie eine organisierte Opposition gibt es nicht, auch wenn der Begriff manchmal in Foren-Diskussionen benutzt wird. Auf der anderen Seite die Vereinsführung. Fälschlicherweise von vielen als der Verein bezeichnet, das sind aber alle Mitglieder. Hauptberuflich tätig, können sie Experten nach Wunsch anheuern und haben Zugang zu den Kommunikationskanälen und Mitgliederadressen. Ich weiß nicht mehr, wie viele E-Mails ich bekommen haben mit dem Tenor „Nur eine Ausgliederung sichert die Zukunft.“ Praktisch jeder aktuelle oder ehemalige Ex-Profi durfte seinen Ausgliederungssenf dazu geben. Das ganze gipfelte dann am Tag vor der Abstimmung in der allerersten SMS vom VfB auf meinem Mobiltelefon
Es passiert bei er entscheidenden Abstimmung das, was seit meinem ersten Besuch einer Mitgliederversammlung fast immer passiert ist: Die Mehrheit folgt dem Vorschlag der Vereinsführung. Ich habe öfter gegen diese Vorschläge gestimmt, so wie damals 2011 beim umstrittenen Präsidentschaftskandidaten Gerd Häuser. Der wurde gewählt und trat nach einer desaströsen Amtszeit bald zurück. Trotz der Niederlagen bin ich immer wieder gekommen und wenn es sportlich einigermaßen lief, war es auch ab und zu nett. Aber warum soll ich jetzt noch einmal zu einer Mitgliederversammlung des e.V.? In einer Southpark-Folge findet die Wahl eines neuen Schulmaskottchen statt. Wählen kann man zwischen einem Rieseneinlauf und einer Kotstulle. Die Auswahl schreckt Stan so ab, dass er nicht wählen gehen will. Über den Verlauf der Sendung wird er überzeugt, dass Wählen ein hohes Gut ist, dass man nutzen muss, auch wenn die Auswahl beschissen ist.
Mein Problem ist, bei den wichtigen Entscheidung in der AG-Hauptversammlung der Profiabteilung, bin ich gar nicht mehr dabei, ich kann nicht mal mehr zwischen Rieseneinlauf und Kotstulle wählen. Mit Anreise war ich gestern etwa nach sieben Stunden wieder zu Hause. Ich weiß noch nicht, wie es mit weiteren Stadionbesuchen wird, aber diese Zeit für Mitgliederversammlungen lässt sich sinnvoller nutzen: Mach es gut VfB e.V. – ich bin raus.

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