Circke Jerks / The Chisel, SO36 10. August 2022
Wieder eine legendäre Band an einem legendären Ort – das kann nur ein Volltreffer mit den kalifornischen Punk-Pionieren Circle Jerks werden. Oder doch nicht?
Die Circle Jerks legen los und ab geht die Post. So habe ich mir das vorgestellt. Das SO36 ist gerammelt voll und ein erwartungsfrohes Publikum steigt ein. Recht schnell zeigt sich aber, dass die vergangene Woche bei den Descendents am gleichen Ort angewendete Erfolgsformel nicht beliebig wiederholbar ist. Die alten Szenehaudegen sind da, singen mit und schwingen vor allem Fäuste und ausgestreckte Finger. Junge Leute sind kaum auszumachen und auch keine Stagediver. Dabei rechne ich gerade bei diesem Konzert mit einer wahren Flut. Allerdings verhindert eine Barrikade vor der Bühne, dass irgendjemand hoch klettert und runter springt. Wer denkt sich bei so einem Konzert so was aus?
Wie Keith Morris erklärt, handelt es sich bei der Tour um die Feier des 49-jährigen Erscheinens ihres Albums „Group Sex“. Da aufgrund der Pandemie und der um zwei Jahres verschobenen Tour dann auch noch das Jubiläum von „Wild in the Streets“ dazukam, werden an diesem Abend ausschließlich Songs der beiden Alben gespielt.
So weit so gut. „Group Sex“ mag ich sehr gerne und der Sound ist druckvoll und gut. Die Blocks von drei oder vier Liedern werden energetisch dargeboten. Das Problem sind die Pausen dazwischen. Keith redet gerne auch etwas länger und so wird der Spannungsbogen immer wieder von den nicht uninteressanten Geschichten unterbrochen. Zwischendurch setzt sich Gitarrist Greg Hetson hin, wenn Keith kein Ende findet. Ein echtes Konzertgefühl kann sich da nicht einstellen. Auch das Publikums ist zwischen vielen Liedern komplett still, wenn Keith mal nichts sagt und die Band am Sound schraubt oder Instrumente stimmt.
Das Bandline-up ist dem Jubiläum angemessen. Mit Keith Morris und Greg Hetson – auch bekannt von Bad Religion- sind zwei Gründungsmitglieder dabei. Bassist Zander Schloss ist seit 1984 dabei. Nur Drummer Joey Castillo ist frisch zur Tour gekommen. Der Zahn der Zeit ist nicht an den Bandmitgliedern vorbeigegangen. Bassist Zander Schloss erinnert an einen Oberstudienrat. Bei Greg Hetson muss ich kurz nachschauen, ob er nicht bei Harry Potter Lord Voldemort gespielt hat.
Ich komme übrigens zu spät für die Vorband The Chisel aus UK. Denn im Gegensatz zur Woche davor mit drei Bands hat die schon um 20 Uhr angefangen und die Circle Jerks stehen kurz nach Neun auf der Bühne. Da „Group Sex“ unter zwanzig Minuten lang ist sind wir dann auch mit den Songs von „Wild in the Strees“ vor halb Zehn mit dem Set durch. Es gibt eine Zugabe und dann ist Schluss. Das ist dann der Unterschied zwischen einer alten Band, die immer noch neue Alben veröffentlicht wie Descendents und einer tourenden Altband, die noch einmal ihr Material präsentiert. Die letzte große Veröffentlichung datiert übrigens von 1995. Ich bin vermutlich 25 Jahre zu spät dran. mir die Band anzusehen.