Alte Botschaften im Nikotinnebel

Steve Ignotant und Band in der Alten Hackerei

Headsticks / Steve Ignorant Alte Hackerei, 20. Oktober 2022

Fast 40 Jahre nach der Auflösung der englischen Anarcho-Punk-Legende spielt Sänger Steve Ignorant deren Songs. Ein guter Auftritt, der eine Ahnung vermittelt, wie wichtig die Band damals war. Viele neue Anhänger findet er an diesem Abend nicht.

Es ist überraschend ruhig und leer als ich den Konzertraum der Alten Hackerei betrete. Ich hatte damit gerechnet, dass es recht voll werden würde. Gehörte Crass doch Ende der 70er und Anfang der 80er zu den einflussreicehn Bands, mit einer durchdachten Botschaft. Als die Vorabnd Headsticks loslegt, sind ungefähr 50 bis 60 Gäste da.

Headsticks in der Alten Hackerei
Die Headsticks nutzen auch die Mundharmonika
Der Schlagzeuger der Headsticks
Der Drummer macht den jüngsten Eindruck

Der Vierer präsentiert eine Art Folk-Punk, bei dem gelegentlich die Akkustik-Gitarre und die Mundharmonika herausgeholt wird. Klarer Gesang und fast unverzerrter Bass. Ich höre da unter anderem Billy Bragg heraus. Der Sänger ist sehr engagiert und macht viele Ansagen. Das Publikum dankt es mit kleineren Tanzeinlagen.

Zuschauer bei Headsticks
Leider nur wenige Gäste da
Der Sänger der Headsticks
Der Sänger ganz engagiert
Der Bassist der Headsticks
Gesangliche Verstärkung vom Bassisten
Headsticks mit Akustikgitarre
Bei einigen Songs wird die Akustik-Gitarre heraus geholt

Ein klein wenig voller ist es dann als der ehemlige Sänger von Crass Hauptact die Bühne betritt. „Steve Ignorant presents Crass Songs 1977-1984“ lautet der Titel des Abends – außer Steve ist kein Originalmitglied dabei. Im Publikum ist der Altersdurchschnitt an diesem Abend sehr hoch. Von den jüngeren Leuten, die ich sonst in der Hackerei sehe, ist kaum jemand da. Offensichtlich zieht eine legendäre Persönlichkeit einer 1984 aufgelösten Band hier nicht. Dafür viele Ältere, denen auch heute Crass-Songs viel bedueten. Im Laufe des Abends sehe ich immer wieder, wie Einzelne ganze Textpassagen mitsprechen.

Steve Ignorant und Bassist vor Krass-Log
Das Licht unterstreicht die Grass-Ästhetik
Bassist der Band
Der Basser singt auch ab und zu

Ich selbst bin nicht der Crass-Experte oder -Fan. Ende 80er oder Anfang der 90er habe ich mir die Debutplatte „Feeding of the 5.000″ und später gebraucht die“?“. Richtig tief bin ich nicht hinein getaucht Als damaliger Kinderzimmer-Revoluzzer fand ich die konsequente politische und die DIY-Haltung beeindruckend. Dagegen war die Musik für die Band immer Vehikel für die Botschaften. Sehr erhellend ist hierzu der englische Wikipedia-Artikel, der auch auf andere künstlerische Aktivitäten der Grupße verweist. Bei den Veröffentlichungen führt das dazu, dass die zum Teil schwer verdaulich sind. Da findet man auf den Platten statt Rock‘ n Roll dann durchaus einen Song mit Rumpel-Rhythmus und dissonantem Geschrei. Für mich war dann die Mmsk dann doch wichtiger als zum Teil sehr lange Songtexte.

Carol Hodge in der Alten Hackerei
Carols Hodge sing die Parts der ehemaligen Sängerinnen
Gitarrist mit Steve Ignorant
Wenn Carol singt, steht Steve oft hinten

Crass haben aber auch richtig gute Lieder, die auch heute funktionieren und die Steve Ignorant seit 2007 in verschiedenen Konstellationen immer wieder aufführt. „Do they owe us a living“ wird gleich zwei Mal angestimmt und reisst die Leute auch heute mit. In den guten Momenten ensteht aus manischem Getrommel, repetetivem Riff und gerne mehrstimmigen Gesang ein musikalischer Sog. So werden dann Lieder wie „So What, „Shaved Women“ oder „Banned from the Roxy“ rausgehauen, die auch wirken, wenn man nicht schon Fan ist. Das Publikum in der Hackerei singt dazu lautstark mit. Für die weiblichen Gesangsparts hat sich Steve schon länger mit der Musikerin Carol Hodge zusammen getan. deren glockenklare Stimme bildet einen interessanten Kontrast zu Steves kratzigem Organ. Später entschuldigt er sich für deren Zustand.

Steve Ignorant animiert das Publikum
Steve Ignorant animiert das Publikum
Mann schüttelt seine Haare
Man kann zu Crass-Songs durchaus mosten

Nachdem „Punk is dead“ gespielt wurde, meint Steve, dass Punk nicht tot sei, sondern an diesem Abend in der Hackerei lebe. Finden natrülcih alle im Publikum gut. Auch ich stelle mir zwischendruch die Frage, was die die Anti-Konsum-Haltung von Crass für mich heute bedeutet. Was habe ich vor 30 Jahren gedacht, als ich ihre Schallplatte gekauft habe. Wollte ich nicht ein von ökonmoischen Zwängen befreites Leben führen und was mache ich heute. Häufe ich nicht unnötigen Besitz an – während die Welt in Ungleichheit versinkt. Nach dem Konzert brause ich im eigenen Auto nach Hause…

Steve Ignorat in Nahaufnahme
Steve Ignorant intensiv bei der Sache
Drei Personen singen
Teilweise wird mehrstimmig gesungen

Steve Ignorant sieht heute übrigns aus, wie ein typisches Mitglied der britischen Arbeiterklasse. Kahler Schädel und Bauchansatz. Mit dem weißen Poloshirt – mit Crass-Emblem – könnte er auch als Skinhead-Veteran durchgehen. Nach dem Zugabenblock hat er einen kleinen Schwächeanfall und benötigt die Hilfe der Bandkollegen, um die Bühne zu verlassen. Ich hoffe, das ist nichts Ernstes.

Carol Hohe steht auf Monitorbox
Carol Hodge beim Stageacting
Der Schlagzeuger von Steve Ignorants Band
Der Drummer überzeugt mit manischem Getrommel

Es gibt noch eine weitere Reise in eine längtst vergessen geglaubte Zeit: Ein Konzertraum, in dem geraucht wird. War das schon so bei meinem letzten Hackerei-Besuch? Ich glaube nicht und hoffe, das ist nur eine vorübergehende Erscheinung. Denn Nikotingeruch ist etwas, was ich absolut nicht vermisse.

Carol Hodge am Keyboard
Carol Hodge steuert auch die Keyboard-Sounds bei
Mann reckt Arm beim Konzert
Revolution? Jetzt!


Links:

Englische Wikipedia-Seite zu Crass
https://en.wikipedia.org/wiki/Crass

Crass-Bandcamp-Seite auch mit den remasterterten Versionen der Alben
https://crass.bandcamp.com/

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