Harald Riegg, Emma 23 30. März 2023
Durch den bunten Strauß der von Harald Riegg für den Leseabend ausgewählten Gesichten entdecke ich, dass ich vermutlich über hellseherische Fähigkeiten verfüge.
Ich denke über einen passenden Einsteig zu meinem Bericht nach und erinnere mich an meine Ankündigung zur Lesung auf Facebook. Dort schrieb ich: „Wie beginnt man erfolgreich ein Wochenende? Man geht zu Harald Rieggs Lesung ausgesuchter Literatur am Donnertag in der Emma 23. Mit reichlich Bildung aufgeladen meistert man anschließend alle Wagnisse, die da kommen können:. Eine imposante Tanzdarbietung in einem Tanzschuppen, charmanten Small Talk trotz Trunkenheit oder findet sie: die große wahre Liebe.“
Ich weiß natürlich nicht, welche Geschichten Harald für den Abend heraussucht. Zufällig ist es tatsächlich eine Geschichte, die von Liebe handelt. Von unerfüllter Jugendliebe. In Jean-Marie Gustave Le Clézio „Die Zeit vergeht nicht“ schwärmt der 16-jährige Erzähler von einem 18-jährigen Mädchen an der Schule. Sie ist arabischer Herkunft und eine Außenseiterin. In dichten Bildern beschreibt Le Clézio die Stimmung im südlichen Frankreich, das Nachstellen des Erzählers und das geheimnisvolle Verhalten des Mädchens. Sie werden Freunde und es kommt zum Kuss. Doch plötzlich ist das Mädchen verschwunden.
Nach der wehmütigen und nachdenklich stimmenden Geschichte geht es in Jayne Anne Phillips „Schätzelchen“ aus „Das himmlische Tier“ deftiger zu. Sie beschreibt Kinobesuche im am Wochenende. Die nutzt der Kinobesitzer, um die Brüste der Mädchen zu kneten. Dabei keucht sein verschrumpeltes Herz wie ein Hund.
Ich bin mir nicht mehr sicher, ob die zweite Geschichte von Phillips namens „Stripper“ vor oder nach der Pause folgt. Auf anraten einer Bekannten lernt eine Frau strippen und nutzt selbstbewußt ihre Macht über die Männer aus: „Ich habe dich am Sack!“
Es folgt eine eigene Geschichte von Harald namens „Wette“ und Heilbronner Lokakolorit. Während sie an der Allee sitzen schlägt seine Begleiterin eine Wette vor, ob Mann oder Frau als erstes in einen Hundehaufen tritt. Harald beschreibt eine Szenerie aus alltäglichen Vorfällen wie Rentner mit Gehhilfe und aussteigenden Touristen. Leidtragende in der Geschichte ist eine Weinflasche.
Der Text aus Douglas Coupleands „Jod“ ist ein Cutup aus Handlungsanweisungen vermeintlicher Businessgurus und allen anderen möglichen und möglichen Ratschlägen, die in ihrer Geballtheit irre wirken. Mir bleibt „Waschen sie nicht das Perinuem, also den Bereich After und Vulva oder Hodensack“ hängen.
Auch der Schlusspunkt ist humoristischer Natur. Harry Rowohlt bricht in Pooh’s Corner eine Lanze für dieBegriffe Blauäugigt und Stammtischpolitiker. Begriffe die seiner Meinung nach zu Unrecht als Schimpfworte verwendet werden.