Familie Hesselbach / Die Sache, Merlin 6. Mai 2023
Der Konzertabend mit Familie Hesselbach gerät zur Zeitreise in die frühen 80er, als die Band einflussreich war. Dabei wirkt das Band agiler als das Publikum und liefert einen tollen Auftritt ab. Den Abend eröffnet Die Sache, mit denen es personelle Überschneidungen gibt.
Eine für mich neue Örtlichkeit und schon komme ich zu spät. Der Stuttgarter Westen ist auch eine vertrackte Sache bei Parkplätzen. Der junge Mann mit starrem Blick auf das Smartphone gerichtet, ignoriert mich mit meiner Karte in die Hand und so gehe ich einfach hinein. Bezahlt ist ja. Erschien mir das Publikum am vorherigen Abend sehr jung, so senke ich jetzt den Altersschnitt erheblich.
Später entdecke ich, dass die meisten Jüngeren – die Fraktion unter 40 – im Hof steht, während sich Die Sache auf der Bühne abmüht. Die Combo gibt es auch schon seit 1983 in wohl sehr vielen unterschiedlichen Besetzungen. Aktuell ist es ein Trio, das sehr poppigen Indie spielt. Heraus stechen die deutschen Texte und sie können auch etwas schneller spielen, wenn sie wollen. Das ist dann fast Punk.
Leider löst das den Bewegungsapparat des Publikums nicht. Es gibt artig Applaus nach jedem Song, mehr leider nicht. Ansagetechnisch tut sich auch fast nichts und so ist der Auftritt auch bald vorbei. Wenn man auf der Webseite nach unten scroll finden sich dort eine ganze Reihe MP3s zum Runterladen. Erstaunlich, wie schnell das zu einer veralteten Technik geworden ist.
Nach kurzer Pause dann die Familie Hesselbach. Vor der Bühne ist es jetzt recht voll und auch darauf drängen sich die Musiker. Neben Sänger, Gitarrist, Bassist, Schlagzeuger und Saxofonist ist auch der Die Sache-Gitarrist als Keyboarder mit von der Partie. Er ersetzt den verstorbenen Handke Hesselbach. Was hervorsticht ist die gute Laune von Sänger Gottfried. Er trägt die meiste Zeit ein sehr breites Grinsen im Gesicht. Dazu hüpft und tanzt er über die Bühne. Fast schon akrobatisch wird es beim Luftsprung mit auseinander gezogenen Beinen.
Die Musik ist gut gealtert: Neben punkigen Uptempo-Nummern finden sich Ska-Einflüsse, Wave und auch jazzige Klänge, wenn Trompete und Saxofon zum Einsatz kommen. Die Gitarre ist fast unverzerrt. Provokante Titel wie „Blut im Stuhl2, machen klar, warum die Familie im größeren Punkkosmos einsortiert wird. Mein absolutes Lieblingslied ist „Rimini„. Kalle Stille hat das Video vom Abend schon hochgeladen. Fotos auf seiner Webseite folgen wohl noch. Konzertbericht mit vielen Profifotos von Gig-Blog ist auch schon online.
Vor der Bühne tut sich auch jetzt nicht viel. Allerdings stehen da auch die Hardcore-Fans der ersten Stunde. Fünf Reihen dahinter mache ich jüngere Leute aus, die tatsächlich tanzen. Die eine oder andere Kurzweilige Ansage macht Sänger Gottfried auch noch. So erzählt er von einem Auftritt in Berlin, als sie mit Bierflaschen beworfen erden. Das Publikum wartet nämlich auf Slice und hat keinen Sinn für die Party Tübinger. Der Gitarrist meint dazu: „Ich Hand den Berliner Kartoffelsalat mit Mayonnaise schlimmer“. Anschließend nehme ich noch das Doppelalbum mit historischen Material der Band mit, das der Anlass für das Konzert ist. Toller Abend.