Harald Riegg 30. November 2023, Emma 23
Dieses Mal wählt Harald Riegg für seine monatliche Lesung tatsächlich überwiegend erheiternde literarische Stücke, Lieder und Gedichte aus. Zum bevorstehenden Jahresende samt vorweihnachtlicher Freudenszeit kommt die milde Seite des Literaturkenners zum Vorschein.
Die Vorweihnachtszeit scheint Harald Riegg freundlicher zu stimmen, er kündigt für dieses Lesung überwiegend magenfreundliche Kost an – ohne emotionale Tiefschläge. Das freut ein harmoniesüchtiges Gemüt wie mich ungemein. Los geht es mit dem bekannten Pop-Literaten Heinz Strunk und drei Stücken aus seinem 2023er Werk „Der gelbe Elefant“. In der ersten Geschichte – hieß die „Der erlegte Experte“ – geht es um einen Experten, der in der Fernsehtalkshow von Markus Lanz auftritt. Doch er kommt gar nicht zu Wort, sondern muss sich Politikergeschwätz, Schriftstellersabelei und das Gerede einer unqualifizierten Expertin anhören. Dabei ist dem nerdigen Experten die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit extrem wichtig, da sie ihn aus seinem Schattendasein herausholt. Sprachlich interessant ist die Geschichte plötzlich ohne erkennbaren Schluss zu Ende.
Etwas brutaler wird es in „Der Brocken“. In Bitterfeld-Wolfen fällt ein Kampfhund einen Jungen an und verbeisst sich in dessen Gesicht. Den besitzer plagt weniger die Sorge um das Wohlergehen des Jungen als vielmehr die Folgen für sich und das Tier. Nach einem Tritt für den Hund wird der Ausflug mit viel Alkohol in der heimischen Wohnung beendet.
„Strange Jump“ nimmt den Selbstmord einer Person zum Anlass, einen Witz über eine zugehaltene Nase beim Sprung aus dem 13. Stock bauen. Fazit: „Genützt hates ihm nichts.“
Versöhnlicher, poetischer und menschenfreundlicher wird es bei Hildegard Knefs (Ich brauch‘) Tapetenwechsel, das Texte und Geschichten der Sängerin enthält. Harald Riegg liest den Text des Lieds „Ein Quadrat – der Hinterhof“. Knef beschreibt darin das Streben eines Baumes zu wachsen, allen Widrigkeiten zum Trotz Um in herum tobt der Krieg, zerstört die Häuser um den Hinterhof, in dem er steht. Selbst ein Brennholzsammler kann ihm nicht gefährlich werden. Schlussendlich fällt er zwei Panzerminen zum Opfer.
In „Ich zieh‘ mich an und langsam aus“ beschreibt Knef das Leben einer Stripperin zwischen Arbeit und Wunsch nach Privatheit in feinsinnigen Versen:
Ich bin bestimmt kein großes Licht,
Doch wenn ich strippe,
Da merkt man’s nicht,
Steh‘ groß auf dem Plakat
Und wär‘ so gern privat,
Der Pianist verliebt sich in sie, sie gibt den Beruf auf – doch als ihnen das Geld ausgeht fängt sie wieder an, worunter der Pianist leidet.
In Haralds eigener Geschichte geht es um einen Jungen, der seine Hausaufgaben verdächtigerweise in der Küche erledigen will. Nach lautstarkem Hämmern entdeckt der Erzähler, dass der Junge Nägel in den Küchentisch geschlagen hat. Die Pointe wird hier nicht verraten. Nur so viel: Alle im Publikum können hier nicht folgen.
Ignazio Silone nimmt uns in „Wein und Brot“ mit in das faschistische Italien Mussolinis. Ein Antifaschist versteckt sich als Priester verkleidet in einem abgelegenen Dorf. Nachdem ein Esel mit Stcokhieben auf einen neuen namen getauft wird, soll der vermeintliche Priester in der örtlichen Kneipe eine Diskussion um den Wert von Spielkarten schlichten. Silone nutzt die Szenerie um die vermeintliche Einfältigkeit der Dorfbewohner darzustellen. Zwischendurch flicht er noch die Erlebnisse eines Bewohners ein, die der machte als er mehrere Jahr ein New York arbeitet. Als die Lehrerin wie üblich die Propagandazeitung des Regimes den Dorfbewohnern in der Kneipe vorliest, wird die Situation für die Frau schwierig. Scheinbar harmlose Nachfragen, was denn der im Artikel so gerühmte Agrarstand sei, was Kommunisten seien und was es mit dem Fleichessen am Karfreitag auf sich hat, bringen die Lehrerin in Erklärungsnöte. Beim Publikum in der Emma führt dies Bauernschläue zu immer stärkeren Lachausbrüchen.
Zum Abschluss dann aus Gerhard Polt und Hans Christian Müllers „Da schau her“ In „Der Witz“ wird der tolle Abend und dieser unglaubliche Witz beschrieben. Trotzdem geht das Paar dann doch recht früh. Harald Riegg warnt zwar davor, sich über das von ihm verwendete bayerische Idiom lustig zu machen. Wie er dann dann „in der Buchhandlung“ den Burschen vom Land spricht, klingt souverän. Der will für einen Freund ein Buch kaufen: Wilhelm Busch ist ihm für den Freund zu kindisch, Kant dann doch zu hoch und schlussendlich soll es ein großes Bucht mit Tieren werden. So kann Weihnachten kommen.