Harald Riegg, Emma 23 26. Januar 2024
Die Januar-Ausgabe der Gute Nacht-Geschichten von Harald Riegg pendelt gekonnt zwischen ehelichem Schrecken und jugendlichem Humor. Dazu wird der fast vergessene Ludwig Hirsch hervorgekramt.
Die Januar-Lesung startet mit Nelson Algren „Das Leck, das eigentlich keines wahr“ aus dem Band „Das letzte Karussell“. In den USA sind Roman und Selma sehr verliebt. Roman ist sehr pflichtbewußt und geht imm dahin „wo ich am meisten gebraucht werde“. Er wird zur Armee eingezogen und beginnt dort eine Karriere in der Boxstaffel. Nach einer Verletzung entwickelt er immenses Riechvermögen. Das verhilf ihm nach der Entlassung zu einer Karriere bei einem Gasunternehmen, bei dem er Gasaustritte erschnüffelt. Über die Jahre leidet die Ehe mit Selma und alles kulminiert in einer gewaltigen Gasexplosion. Algren beschreibt detailliert skurrilste Auswirkungen wie das Schicksal einer Katze, die zwei Pfoten verliert. Bei aller Morbität, führt das bei den Zuhörern immer wieder zu Schmunzeln oder Lachausbrüchen.
Weiter geht es mit einem Liedtext von Ludwig Hirschs Schallplatte „Komm‘ großer schwarzer Vogel“von 1980 . Eine Schallplatte die wegen ihrer dunklen Test in Österreich nach 22 Uhr nicht im Radio gespielt werden durfte. „1928“ handelt von Außerirdischen, die den Menschen Pillen gegen Traurigkeit schicken. Als Sie einen Mickey Maus-Film finden, glauben sie, dass die Menschen glückliche Wesen sein müssen, die die Pillen nicht benötigen.
Nach der Pause geht es mit Wolfgang Herndorfs „Tschik“ weiter. Die Verfilmung von Fatih Akin von 2016 hat mir schon gut gefallen. Das Buch ist es auf jeden Fall Wert, dass man es liest. Harald liest zwei Stellen vor, um die beiden Hauptfiguren des Romans vorzustellen. Zunickst eine Passage, in der der 14-jährige Erzähler Maik beschreibt wie er zu seinem Spitznamen Psycho gekommen ist. Den verdankt er einem Aufsatz, in dem er die Alkoholsucht seiner Mutter zum Thema macht. Das löst bei deinem Lehrer entsetzen aus.
Danach folgt mit „Auf dem Parkplatz verloren“ aus Harald Rieggs eigener Feder. Geschrieben ist sie aus der Perspektive einer Frau. Sie lebt in einer Beziehung mit ihrem Mann, der sie vollständig kontrolliert und immer wieder verprügelt. In dieser Geschichte kommt ihr Mann aus dem Baumarkt nicht zurück, während sie auf dem Parkplatz im Auto warten muss. Polizisten bringen Sie nach Hause und sie beschreibt, wie ihr Mann sie später verprügeln und im dunklen Vorratsraum einsperren wird. Das ist in einem lakonischen Tonfall geschrieben, der die Szenerie real und unausweichlich erscheinen lässt. Eindrucksvoll und deprimierend zugleich.
Danach geht es stimmungstechnisch zum Glück wieder in die andere Richtung. Ludwigs Hirschs „Die gottverdammte Pleite“ handelt zwar auch von blutigen Ereignissen, da die Kinder den Eltern den Krieg erklärt haben. Allerdings ist das lange nicht so traurig wie Haralds Stück. Richtig amüsant wird es dann bei der zweiten Passage aus Tschik. In der wird die Hauptfigur Tschichatschow, genannt Tschik charakterisiert. Er ist Ruslanddeutscher und Maiks Klassenkamerad. Im Unterricht soll er seine Interpretation eines Textes vorlesen. Tschik macht aus seiner Interpretation aus der harmlosen Geschichte eine abstruse Fortentwicklung mit Waffenschiebern. Allgemeines Gelächter zum Ende der Lesung.
Besondere Vorkommnisse: Zu Beginn sind unglaublich viele junge Menschen in der Emma. Offenbar Studenten, die sich her verabredet haben, zuhören wollen die wenigsten. Wir hören die beiden Stücke von der Ludwig Hirsch-Platte. Es wird Geld gesammelt, um das Finanzloch zu stopfen, das die große Demonstration gegen Rechtsextremismus am Dienstag gerissen hat.