Harald Riegg, 29. Dezember 2023 Emma 23
Zwischen morbider Schadenfreude, Kritik an deutscher Grammatik und guter Unterhaltung bewegen sich die Texte bei Harald Rieggs Dezember-Ausgabe der Gute-Nacht Geschichten. Schön, dass es auch 2024 jeden letzten Donnerstag im Monat weiter geht.
Zur letzten Lesung von Harald Riegg im Jahr 2023 ist die Emma 23 gut gefüllt. Er kündigt lehrreiche und freudenvolle Texte an. Darunter auch welche, in denen es um Schadenfreude gehe. Los geht es mit Mark Twains „Bummel durch Europa“. Das schrieb er auf seinen ausgiebigen Reisen im alten Kontinent. Unter anderem studierte er dabei auch in Heidelberg, und lernte dafür Deutsch. In dem Text lässt er sich über die „schreckliche deutsche Sprache“ aus. An der stört ihn das willkürliche und nicht nachvollziehbare grammatikalische Geschlecht von Wörter. Warum heißt es das Mädchen, wenn es sich um offensichtlich um eine weibliche Sache handelt? So dekliniert er sich munter durch allerlei deutsche Wörter und bemängelt die haufenweise Widerspräche in der deutschen Sprache. Auch mit den weiblichen Endungen von Wörtern wie „Engländerin“ Hader er. Das sei überbetont.. Der Text endet mit dem Ausspruch eines Amerikaners, in nur einen einzigen Satz gelernt habe: „Zwei Glas Bier!“
Vom lehrreichen Teil geht es schnurstracks Richtung Schadenfreude: In den „Darwin Awards“ hat Wendy Northcutt die skurrilsten Arten zu Tode zu kommen zusammen getragen. Es geht weiter mit einer winterlichen Entenjagd auf dem Eis, die – da dabei Dynamit zum Einsatz kommt – für einen Beteiligte die letzte ist.
Lachen ohne morbiden Hintergrund kann man anschließend bei Robert Gernharsts, Bernd Eilert und Peter Knorrs „Erna, der Baum nadelt! Hier ist ein frisch gekaufter Weihnachtsbau, der gleich anfängt zu nadeln, die Attraktion im Haus. Wie immer mehr Leute in die Wohnung strömen, um den Baum zu sehen, Zeitung und Fernsehen dazu stoßen, ist wunderbar amüsant geschrieben. Beim Lesen lässt sich Harald Riegg von einem Freiwilligen unterstützen, der die passenden Zeichnungen zu Geschichte hochhält. Gegen Ende wechselt ist er Tafel rechtzeitig, ohne dass das Kommando von Harald folgen muss.
Vor der Pause liest Harald einen Songtext der Einstürzenden Neubauten. „Stella Maris“ ist eine Liebegeschichte mit der prägenden Zeile „Du träumst mich und ich doch“. Sänger Blixa Bargeld singt ihn gemeinsam mit Merkt Becker. In die Pause hinein wird das Stück von der gleichnamigen EP gespielt. Die Band hat die noisig-experimentelle Phase hinter sich gelassen und ist in das Stadium der Streicherkompositionen gewechselt. Trotzdem sehr einprägsam und berührend.
Nach der Pause liest Harald Rieggg wieder einen Text aus den Darwin Awards. Ich schreibe jetzt nicht die Details, wie ein PKW meterhoch in eine Felswand kommt, wobei der Fahrer das zeitliche segnet. Tatsächlich hatte ich dieses Geschichte, vor dem Abend schon einmal gehört, kann mich beim besten Willen Abe rnicht erinnern wann oder wo.
Wie bei jeder Lesung gibt Harald auch einen eigenen Text zum besten. in „Katakomben“ steckt eine Frau dem betrunkenen Erzähler eine Karte zu. Sie bittet ihn, sie anzurufen. Als er wegen Übelkeit die Lokalität verlässt, entgleitet ihm die Karte. Er sucht den Boden ab und steckt das Gefundene ein. Am nächsten Morgen entpuppt sich der Fund als etwas völlig anderes. Pointe bitte in Haralds Werk „Lesezeichen“ nachlesen – das verkauft er üblicherweise an den Abenden.
In Henri-Frédéric Blancs „Der Mann im Lift“ bleibt der Erzähler im Zuge einer Wohnungsbesichtigung in einem alten Lift stecken. Die Art und Weise wie sich die selbstsichere Haltung des Protagonisten im Laufe der Tage zu Verzweiflung wandelt und er zu einem festen Bestandteil der Hausgemeinschaft wird, die man als Belustigung auch den Enkeln zeigt, macht Lust, die Geschichte zu Ende zu lesen.
Den Abschluss bildet ein Text aus den „Darwin Awards“ Hier sterben zwei Freunde, bei dem Versuch ohne Karten ein ausverkauftes Metallica-Konzert zu besuchen. Nach reichlich Genuss von Alkohol endet das beide tragisch wobei wie auch bei der Entengeschichte eine Pickups eine zentrale Rolle spielt. Vielleicht sollte man die Finger von den Dingern lassen.