Harald Riegg, Emma 23 29. Februar 2023
Harald Riegg schockt das Publikum mit einem düsteren Stück Literatur und zaubert später Lachfalten auf die Gesichter der Zuhörer. Die Februar-Ausgabe der Gute Nacht-Geschichten weiß die Synapsen zu reizen.
Dieses Mal startet die Lesung untermalt mit einem Jazz-Soundtrack. Das liegt wohl am ersten vorgestellten Autor Boris Vian. Der war nicht nur Schriftsteller sondern auch Musiker. Harald Riegg liest aus dessen Werk „Hunde, Lust und Tod“. Dabei Handel es sich um eine Geschichte wie aus einem Film Noir-Streifen. Der Erzähler wartet im Gefängnis auf seine Hinrichtung. Er ist Taxifahrer in New York lernt eine Nachtclub-Sängerin kennen. Sie beginnen ein Beziehung und nacht ihren Auftritten fahren sie durch New York. Sie ist eine rasante Fahren und eines nachts fährt sie gezielt einen Hund an. Die Beziehung wird immer abgedrehter, die nächtlichen Touren wilder. Eines Nachts fährt sie absichtlich ein 15-jähriges Mädchen an. Im folgenden Unfall stirbt sie – der Erzähler kommt ins Gefängnis. Wieder einmal macht Harald Riegg den Blick auf menschliche Abgründe frei. Die Erzählung ist so dicht, dass das nächtliche New York vor dem inneren Auge erscheint. Die Todegeilheit der Sängerin ist abstoßend und deprimierend – nach der Geschichte schweigt das Publikum betreten.
Etwas aufmunternder wird es im Gedicht „Der Deserteur“ von Vion. In amüsanten Reimen wie „Ihr toll Blut vergießen / dann lasst das eure fließend, verehrter Präsident“ erklärt er, warum er nicht in den Krieg ziehen kann.
Harald Rieds eigene Geschichte „Brechstange“ erzählt in einem lakonischen Ton vom Warten vor einem Pflegeheim. Obwohl dabei mit einer Brechstange in einer Küche allerhand zerdeppert wird, ist das weitaus positiver als das erste Deprimierend-Stück. Harald verspricht dann auch, dass es nach der Pause lustiger wird.
Harald hat nicht zu viel versprochen. Da ist zunächst „Ein Hoch auf die Dummheit“ von Fruttero und Lucentini. Auf einer Zugreise in Italien erfahren die Reisenden die verschiedenen Gründe, warum sich Reise verzögert. Darunter so absurde wie Stau auf den Gleisen. Es wird herzhaft gelacht und das eine oder andere Mal eine Parallele zur Deutschen Bahn gezogen. In „Das Narrenschiff“ beschreiben sie eine Alternative zu Irrenanstalten. Eine offene Wohngemeinschaft in der Personen mit verschiedenen geistigen Krankheiten zusammen leben. Der besondere Clou: Sie denken sie wären die italienische Regierung. Eine interessante literarische Kritik an den politischen Verhältnissen in Rom.
Richtig lustig wird es dann bei Alison Luries „Von Kindern und Leuten“. In der Geschichte erklärt die amerikanische Teenagerin Mary-Ann ihr Verständnis von Natur oder Liebe. Letztere sei wie ein Schnupfen. Ein ganz besonderes Verhältnis hat sie zu Jesus. Denn lange dachte sie, der sei Zahnarzt. Denn bei Ihrem Zahnarzt hängt eine Bild von Jesus mit Kindern und sie ging davon aus, dass das der Zahnarzt sei. Köstlich – und der Schmerz der ersten Geschichte ist fast verdrängt.