Razzia / Kuballa, Goldmark’s 17. Mai 2019
Razzia sind eine meiner liebsten Deutschpunk-Bands aus den 80ern. Beim Auftritt in Stuttgart überzeugen sowohl die alten als auch die neuen Lieder. Dazu guter Support von Kuballa aus Ludwigsburg.
Die Vorband Kuballa gefällt mir immer besser. Seit dem Auftritt in Heilbronn haben sie eine neuen Bassisten, trotzdem ist der Sound homogen. Für mich nicht nicht einfach zu beschreiben – die beiden Gitarren kreieren schöne Soundmuster, mehrstimmiger Gesang mit Frauenanteil. Alles sehr unmachomäßig, auch wenn durchaus Druck da ist.
Das ganze wird netterweise vom zahlreich anwesenden Publikum angemessen mit Applaus gewürdigt. Ich glaube mich zu erinnern, dass auch eine wenig getanzt wird.
Razzia starten mit dem Intro der neuen Platte, danach noch ein weiterer neuer Song. Als Fahngensog vom 1991er-Werk Spuren gespielt wird, singt fast der ganze Laden mit. Ich warte ja seit dem Auftritt am 6. Dezember 1985 oder 1986 im Jugendzentrum Schillerstraße in Heilbronn auf ein Konzert der Band. Denn den damals habe ich verpasst. Beim Auftritt im AJZ Heidelberg einige Jahre später hatte sich die Band schon ziemlich weit in das Experimentalprojet entwickelt, das die Gruppe in anderer Besetzung lange Zeit sein würde.
Über 30 Jahre später sind sie fast in Originalbesetzung wieder da – wichtig: Sänger Rajas mit der prägnanten Stimme ist mit an Bord. Die erste Platte „Tag ohne Schatten“ ist eine meine liebsten Deutschpunkplatten. Die nachfolgende „Ausflug mit Franziska“ und die „Menschen zu Wasser“ sowie „Spuren“ habe ich unzählige Male angehört.
Nach all den Jahren gibt es 2019 mit „Am Rande von Berlin“ ein neues Album, mit dem an alte Zeiten angeknüpft wird. Statt bunter Punk-Klamotten trägt die Band heute einheitlich existenzialistisches Schwarz. Beim Konzert werden neben vielen neuen Song auch Titel wie „Kriegszustand“,“ Schatten über Geroldshofen“, „Nacht im Ghetto“ von der „Tag ohne Schatten“ oder „Kaiserwetter“ von der „Ausflug mit Franziska“ gespielt. Die kommen zwar nicht im ruppigen Früh- bis-mit-achtziger Punk-Still rüber sondern etwas ruhiger.
Vor allem bei diesen Songs ist vor der Bühne viel los und sie werden durchgehend mitgesungen. Die Band hat trotz der langen Pause heute noch sehr viele Fans. Überraschenderweise kennen einige davon auch die Texte von Songs der neuen Platte wie „Lauf Junge“ oder „Am Rande von Berlin“.
Der Verlauf des Abends und die duchweg positive bis enthusiastische Reaktion des Stuttgarter Publikums zaubert das eine oder andere Lächeln auf die Gesichter der Band-Mitglieder.
Was wirklich stört, ist dass zeitgleich in Esslingen das EA80 Konzert läuft. Warum müssen zwei Punklegenden am gleichen Abend spielen? Später am Abend entert Szene-Veteran Schmutz die Bühne, von mir recht unscharf im Bild festgehalten. Einige Tage nach dem Konzert stirbt er.
Pingback: Viel mehr als eine Phase | ScharpingPershing