Mudhoney / The Drove, zakk 27. September 2022
Die wahren Könige des Grunge sind für mich Mudhoney. 30 Jahre nachdem ich sie für mich entdeckt habe, ist es Zeit sie endlich live zu sehen. Da nehme ich auch eine etwas längere Anreise nach Düsseldorf auf mich.
In den späten 80ern und frühen 90er schwappte eine neue Musikwelle aus den USA, vornehmlich Seattle, nach Europa: Grunge. Nirvana, Soundgarden, Pearl Jam mixten die Energie des Punk mit rockigen Klängen, stürmten die Hitparaden und Baumfällerhemden waren Pflicht. Damals kaufte ich mir CDs – ja wirklich CDs, keine Schallplatten – einer Band aus Seattle. „Superfuzz Big Muff“ und ich glaube etwas später zusammen oder kurz hintereinander „Every Good Boy Deserves Fudge“ von 1991 und „Piece of Cake„, 1992. Von da an war ich Fan von Mudhoney, sogar mehr als von den Grunge-Gefährten Nirvana und Konsorten, die alle erheblich bekannter wurden. Irgendwie habe ich es geschafft in all den Jahren nie auf eines ihrer Konzerte zu gehen. Jetzt, etwa 30 Jahre später fahre ich nach Düsseldorf, um sie mir endlich anzusehen. In mir eine Mischung aus unbändiger Vorfreude und Furcht, dass es einfach nur enttäuschend sein wird. Habe ich doch bei den Circle Jerks in Berlin erlebt, dass man den richtigen Zeitpunkt eine Band zu sehen auch verpassen kann.
Als Vorband haben Mudhoney The Drove – ebenfalls aus Seattle – mitgebracht. Die spielen eine stark Blues beeinflusste Mischung mit Punk- und Garageanleihen. Bemerkenswert der große glatzköpfige Sänger im tadellosen Anzug. Der kniet sich bei einigen Songs wortwörtlich richtig hinein. Der Auftritt kommt beim Publikum ganz gut an, bewegen will sich aber niemand. Zu diese Zeitpunkt ist es in der recht hohen und nicht übermäßig gefüllten Halle auch herbstlich kühl. Funfact: Direkt neben mir steht Joachim Hiller vom Ox. Leider fällt mir kein Gesprächsthema ein.
Dann entern Mudhoney die Bühne. Was war der erste Song? Weiß ich nicht mehr, aber der typische fuzzgetränkte Sound hat mich schnell gepackt. Entgegen meiner sonstigen Gepflogenheit seitlich am Bühnenrand zu stehen, bin ich mit einem Pärchen, mit dem ich vorher in der Kneipe des Zack ins Gespräch kam, direkt vor der Bühne platziert. Mudhoney spielen vorwiegend ältere Sachen von den drei oben erwähnten Alben. „If I Think“, „Let it Slide“ und das unvermeidliche „Touch me I’m sick“. Dazu auch viele Songs vom aktuellen Album „Digital Garbage„, das ich sehr empfehlen kann.
Direkt hinter mir bildet sich bald ein Pit. da geht es teilweise recht ruppig zur Sache und mir knallt der eine oder andere Tänzer in den Rücken. Die Stimmung wird richtig gut und immer wieder werden Textpassagen mitgesungen. Wie alt Grunge geworden ist, kann man am Publikum erkennen. Ich mache kaum eine Person unter 30 aus.
Mudhoney mit ihrem garagigen und extrem fuzzgetränkten Sound waren noch nie die Grunge-Lieblinge und sind es auch heute nicht. Da hilft es auch nicht, dass Mark Arm weder so anziehend wie Chris Cornell oder Kurt Cobain, noch eine Rampensau ist. Viele Ansagen macht er an diesem Abend nicht. Dabei spielt die Band fast noch in Originalbesetzung – den Bassist haben sie vor etwa 20 Jahren gewechselt.
Nach etwa zwei Drittel der Show legt Frontmann Mark Arm die Gitarre zur Seite und das Effektbrett wird von der Bühne getragen. Den Block bestreitet er mit verstärktem Stageacting und steigert sich stärker und seine Gesangs- und Schreiparts rein. Das hat trotz leichtem Bauchansatz und praktisch weißem Haar viel Kraft. Mark hat nach all den Jahren offensichtlich immer noch Lust.
Die Band geht irgendwann von der Bühne und wir – das Publikum – schreien nach Zugaben. Das zeiht sich und zieht sich. Da zwischendurch das Eeffektbrett auf die Bühne getragen wird, bin ich mir auch sicher, dass noch was kommt. Was im Zugabenblock noch gespielt wird, weiß ich nicht mehr, aber ich bin am Ende vollständig zufrieden. Die 30 Jahre Wartezeit waren nicht umsonst.
Bevor es dann im ICE wieder mit über 300 Kilometer die Stunde Richtung Heilbronn geht, muss ich noch was los werden. Man sagt den Schwaben nach, dass sie nicht sehr kontaktfreudig sind, vielleicht sogar verschlossen. Wenn ich daheim in Heilbronn oder nach Stuttgart auf Konzerte gehe, sprechen mich selten Leute an. Ich rede, mit Leuten die ich kenne – aber Fremde, die das Gespräch mit mir suchen?
Ich kannte in Düsseldorf niemanden und habe mich am Konzertort mit dem oben erwähnten Pärchen und drei weiteren Besuchern unterhalten. Auf der Suche nach dem richtigen Weg zum Hotel kam ich dann noch mit einem Dreiergrüppchen – auch auf dem Rückweg vom Konzert – ins Gespräch. Alles an einem Abend und damit rekordverdächtig.
Ach ja, am 5. Oktober treten Mudhoney in Ebensee, dem Heimatort meiner Mutter im Salzkammergut auf. Warum in einem Ort mit 7.515 Einwohnern und relativ weit weg von jeder größeren Stadt konnte mir der Merchandiser von Mudhoney nicht erklären. Vielleicht muss ich hinfahren und es herausfinden.