Noch mehr junge Menschen

Harald Riegg, 28. September 2023 Emma 23

Harald Riegg spannt an diesem Abend einen weiten Bogen mit Auszügen aus literarischen Werken über den Katholizismus von Italo-Amerikanern, Kapitalismuskritik bis zu Beatniks. Das Publikum überrascht mit einem hohen Anteil Literaturaffiner Jugendlicher.

Irgendwann muss in Heilbronn passiert sein. Vergangene Woche das Konzert in der Maschinenfabrik mit sehr jungen Menschen. Und auch zur heutigen Lesung sind viele vorwiegend jüngere Menschen zugegen. Was genau vorgefallen ist, weiß ich nicht – nehme das Interesse an Kultur positiv überrascht zur Kenntnis und freue mich.

Harald Riegg startet seine Lesung mit John Fantes „Hau ab Bandini“. Der Roman handelt von der italienisch-stämmigen Familie Bandini zur Zeit der großen Depression der USA. Die Familie lebt in ärmlichen Verhältnissen. Der eine Sohn tötet mit dem Wurf eines Kohlestücks eines der Hühner. Das wird prompt zum Abendessen und Autor Fante nutzt die Szenerie der Vorbereitung des Essens und das Mal, um die Familie mit ihren typisch katholischen Eigenheiten zu porträtieren. Beim Schützen stellen sich mittlerweile Gewissensbisse ein, ob es sich bei der Tat nicht um eine Todsünde gehandelt hat. Ein Sohn strotzt nur so vor Frömmigkeit, während der andere vorwiegend am Essen interessiert ist und Teile des Huhns unter Tisch hamstert. Die Mutter ist unglaublich stolz auf ihren frommen Sohn, sieht ihn als zukünftigen Pfarrer und damit wäre dann ihr Leben erfüllt. Während der Vater dem religiösen Treiben spöttisch zusieht.

Wir springen von der neuen in die alte Welt nach Frankreich und praktisch in die Gegenwart. Virginie Despente lässt in „Das Leben des Vernon Subutex 2“ einen Charles in einem Park einen Monolog sprechen. Hier hängen Arbeitslose und Obdachlose ab und trinken ihr Bier, wobei sie sich vorwiegend von Sportlern aus der Mittel- und Oberschicht gestört fühlen. Charles hat erkannt, dass die Menschn heute den Unterschied zwischen Arbeiterklasse und Reichen nicht mehr verstehen. Sie lassen sich von Politik und Medien beeinflussen, die ihnen Reformen zu ihrem Nachteil als Fortschritt verkaufen. Um sie beruhigen werden andere Gruppen wie Migranten als minderwertiger dargestellt, damit man jemanden hat auf den man herunter sehen kann. Eine konzentrierte Zuspitzung der zu beobachtenden neoliberalen Reformen und des Rechtsschwungs weltweit in den vergangenen 20 Jahren.

Harald Riegg liest
Wir starten mit einer Halbtotalen
Blick von der Bühne in die Emma
Die Emma sit gut gefüllt

Danch dann Haralds eigene Geschichte „Halbe grün 14“. Sie spielt im Bierkrug.einer ehemaligen Spelunke gegenüber vom Heilbronner Hauptbahnhof. Der allererste Beitrag in diesem Blog beschreibt das letzt dort veranstaltete Konzert im Jahr 2016. In Haralds Geschichte ist die Kneipe der Ort, in dem Niko – Migrantensohn aus Ex-Jugoslawien – erzählt, wie es dazu kommt, dass er die Billardkugel Halbe grün 14 immer mit sich herum trägt. Wie eigentlich immer bei Haralds Stücken sind Einzelheiten des Ortes so detailliert beschrieben, dass im Kopf der schmuddelige Charme wiederaufersteht.

Nach der Pause geht es mit Sergi Pàmies „Du sollst sich in Grund und Boden schämen“ weiter. Hier scheitert ein Mann, der noch etwas trinken will, um zwei Uhr nachts daran beim Banautomaten Bargeld abzuheben, da der eine Begründung verlegt. Auch ein herbeigerufener Techniker kann ihm nicht helfen. Da es dem Techniker peinlich ist, lädt er den Mann ein mit seinem Geld trinken zu gehen. Sie scheitern an den Türstehern einer angesagten Bar und landen in einer obskuren Kneipe. Die entpuppt sich als Schwulenbar, der Techniker als auch körperlich am Mann interessiert, so dass der schließlich durch das Toilettenfenster das Wege sucht.

Blick über Harald Riegel Schulter
Dem Meiste rüber die Schulter schauen
Lichtstrahlen auf der Bühne um Harald Riege
Vielleicht geht jemand ein Licht auf

Vor Ed Sanders „East Side Blues“ erklärt Harald was es es mit den daran beschriebenen Beatniks auf sich hatte, damit die jüngere Generation folgen kann. Sie waren Vorläufer der Hippies in den 1950er Jahren und konsumierten In der Geschichte verfällt ein mittelloser Betrink auf die Idee eine altägyptisches Paste a betuchte Kunden zu verkaufen. Detailliert wird beschrieben, wie er New Yorks Baustellen nach passenden Behältnissen durchkämmt. Auch den notwendigen Krokodilkot kann er per Tauschhandel gegen Drogen organisieren. Zwei Zivilbullen schnappen ihn und halten die Kugeln mit Kot für Drogen, die man per Biss testen muss.

Zum Abschluss dann das Gedicht „40 Grad“ von Charles Bukowski. Der sinnert bei 40 Grad in Burbank über die Sinnlosigkeit von Flügen und das Leben neurotischer Amerikaner.

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